Fünfzehn Hasen : Eine Lebensgeschichte aus dem Walde by Felix Salten

Fünfzehn Hasen : Eine Lebensgeschichte aus dem Walde by Felix Salten

Autor:Felix Salten [Salten, Felix]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Erzählung
Herausgeber: Goldmann
veröffentlicht: 1961-12-31T23:00:00+00:00


Am Fenster der Stube, in der Epi seine Gefangenschaft vertrauerte, hing ein kleiner Vogelkäfig. In diesem Vogelkäfig war ein Zeisig, den man im Walde draußen gefangen hatte.

Epi lag still auf dem nackten, nur spärlich mit Stroh bestreuten Bretterboden seiner schmalen Kiste; er hatte immer ein paar welke Kohlblätter vor sich.

Der Zeisig sprang in seinem engen Gefängnis ruhelos hin und her. Von Sprosse zu Sprosse. Es waren nur zwei. Doch von einer zur andern hüpfte der Zeisig den ganzen lieben Tag. Ruhelos.

Die Menschen im Hause freuten sich dann und sagten: »Der ist munter!«

Allein der Zeisig war keineswegs munter. Er war verzweifelt und halb irrsinnig vor Verlangen nach der Freiheit, vor Sehnsucht nach den Seinigen.

Was geschehen, wie er hierher geraten war, wollte und wollte ihm nicht in den Sinn. Immer noch durchzitterte ihn der tödliche Schrecken, der ihn gelähmt hatte, als die furchtbare Hand ihn ergriff, ihn umschloß und ihn erst hier in diesem festen, durchsichtigen Kerker wieder entließ.

Da war er zu Anfang ungebärdig gegen die Drahtstäbe geflattert, hatte sich weh getan, hatte an ihnen seine kleinen Schwingen zerzaust und manche Feder zerbrochen. Nach und nach wurde er müder, wurde matter, ließ das fortwährende Flattern sein. Doch beruhigen konnte er sich nicht. Sein kleines Herz tobte nach der Freiheit, frühmorgens, beim Erwachen, es träumte vom freien Dasein, abends, wenn der Zeisig den Kopf unter die Flügel barg, um zu schlafen. Diese Schwingen, sie waren ihm nun zu nichts mehr nütze. Sie trugen ihn nicht mehr wie einst. Wenn ihm einfiel, wie er sich durch die Luft geschleudert hatte, im Geruch der Bäume, im Duft der Sonne, im Hauch des Schattens, wenn er daran dachte, glaubte er zu vergehen vor Jammer. Dann begann in der qualvollen Enge des Kerkers das qualvolle Springen und Hüpfen, von einer Sprosse zur andern, ohne Unterlaß, von einer Sprosse zur andern. Zwischendurch kam hie und da ein kurzes Flattern. Nur selten noch und nur, wenn er infolge einer Täuschung meinte, der Kerker habe sich geöffnet. Denn ein einziges Hoffen wich niemals aus seiner Brust: einmal werde dieses Gefängnis ein Loch haben, werde einmal einen Ausschlupf zeigen. Beständig wartete der kleine Vogel auf diese Möglichkeit zu entwischen. Zuversichtlich wartete er. Das hielt ihn aufrecht. Doch wenn das Heimweh nach dem Walde ihn zu ersticken drohte, begann er zu singen.

Epi hatte ein trauriges, einsames Dasein gelebt, ehe der Zeisig dort am Fenster sein Genosse wurde. Er war ganz stumpf und dumpf geworden. Epi hatte tagelang, nächtelang vor sich hin gedöst und verlor seine flinke Beweglichkeit.

Während der ersten Zeit, inmitten der Schrecknisse, die ihn umgaben, dachte er immerzu an Hops und Plana. Was die beiden jetzt wohl machten, wie es ihnen ergehen mochte, da draußen im Walde.

Viele Stunden schwanden ihm hin, während er den Fehler überlegte und wieder überlegte, den er begangen, und durch den er in diese unglückselige Lage geraten war.

»Ich hätte nicht so lange zaudern sollen«, sann er, »aber Hops und Plana blieben ja auch noch in ihren Betten …«

Nein, das verwarf er. »Hops und Plana sind im richtigen



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